Marit Schlechte - Cover
 

Schlechte - Piano solo


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Listen to a 30 second soundfile of this release (~65kB).

 

land 4 uhr 1 1/2 4 5 5 1 1/2 1/2 +
schnur draht holz

Sechs Titel, gespielt auf den Tasten des Instruments, werden durch drei Titel ergänzt, welche ausschließlich den Innenflügel bedienen.
Jedes Stück dieser stark konzeptuell geprägten Musik kommt mit nur einem Grundmaterial aus: ein Werkzeug und eine Spielweise für die Saiten des Flügel bzw. eine Spielweise und eine oder wenigen grundlegende Intervallbeziehung des Tonmaterials.
Es ist der Versuch, nach außen hin abgeschlossene aber in sich bewegte Klangflächen zu gestalten. Klangflächen, welche wie in "land 4 uhr" einem monochromen, mit Gräsern und allerlei Erdkrümeln durchsetzten Gemälde nacheifern, welches der Betrachter auf einen Blick als Ganzes erfassen kann, aber mit seinem kennerischen und liebevollem Auge, nach und nach alle Fasern der verklebten Pflanzenreste verfolgt, ihre aus der Farbmasse auftauchenden Strukturen

  zu immer neuen Bildern zusammensetzt, und ihre Oberfläche mit fühlenden und zärtlichen Händen ertastet.
Es ist eine Spielen auf der Kippe. Das Ausgangsmaterial bilden kleine Ton-Motive und Intervalle, deren Gebrauch und Wiederholung bewusst kontrolliert wird, damit Repetition, durchaus Modell der Tonbewegungen, dennoch als solche nicht wahrnehmbar ist, sondern nur durchschimmernd ahnbar bleibt. Repetitionen werden in dem Moment verändet sobald sie sich manifestieren wollen, ein Balancieren zwischen losgelassener Motorik, zwischen so „schnell wie möglich“ und „bewusst konstruieren“.

total time 39:43
all pieces composed, played and produced by Marit Schlechte (GEMA)
recorded and mastered july 3, 2004 by Arne Junker, uwarton studio stuttgart 2004
cover design Gundula Rexin
c + p 2005
  Die deutsche Pianistin Marit Schlechte, die Berlin derzeit zu ihrem Lebensmittelpunkt auserkoren hat, belegt mit ihrer Solo-CD ihre eigenwillig formulierte Ästhetik Improvisierter Musik oder Momentmusik, wie sie es beschreibt. Schlechte reflektiert in ihren zeitlich kompakten Klangstücken Anregungen avancierter Jazzspielweisen und experimenteller Neuer Musik, was sie in struktureller Feinsinnigkeit auslebt. Dabei entwickelt sich eine Ereignishaftigkeit die Ausgänge offen lässt, sich in entscheidenden Momenten zurückzieht, für kurze Momente in der Stille verharrt - und doch plötzlich wieder vorwärts strebt und wild herausfährt. Und Schlechte versteht wirklich zu überraschen, da sie mit spielerischer Energie, Lebhaftigkeit und Fantasie bewährte Typologien und stereotype Muster versetzt. Einem ausgeprägten Gespür für   Differenziertheit und punktgenauer Konzentration folgend, spielt die Pianistin die diversen Klangzustände aus, dringt in sie ein, lässt Risse entstehen, leitet über zu sich verdichtender Beschaffenheit. All das geschieht mit luftiger Transparenz, elastischer Motorik und dem Willen nach Erkundung neuen Terrains. An den Tasten forsche Aggregatzustände evozierend, wie im Innenraum des Klaviers, in filigrane Liniengewebe und unerhörte Flächigkeiten eintauchend. Schlechtes Piano-Solo strotzt nur so vor guten Seiten. Die Improvisierte Musik lebt und wird dank solcher Persönlichkeiten mit frischem Lebensgeist aufgekratzt. (han)

Hannes Schweiger in „freistil – Magazin für Musik und Umgebung“ , Juni 2005

  Mit piano solo (Berslton 105 01 22) macht BA erstmals Bekanntschaft mit der Pianistin MARIT SCHLECHTE (*1970), die nach einigen Stuttgarter Jahren, in denen sie neben ihrem Rhythmikstudium das Ensemble Unterton gegründet und Konzertreihen organisiert hatte, jetzt wieder in Berlin lebt. Ihr pianistischer und bruitistisch neugieriger Ansatz machte sie u.a. anschlussfähig an Leute wie Baltschun, Bosetti, Doneda, Heenan oder Günter Heinz. Auf ihrem Solodebut zeigt Schlechte jedoch keine diskreten Facetten, vielmehr einen konzeptionell explorativen Ansatz. Passagen, die immer wieder repetitiv stagnieren, vexieren zwischen hartnäckiger Detailversessenheit und komplexer Mathematik (‚land 4 uhr‘), einer nahezu Nancarrow‘schen Motorik (‚4‘) und pointillistischer Aleatorik (‚5‘).  

Sechsfach wird eine Klangidee minutiös ausgelotet, wobei für ‚5 1/2‘ 36 Sekunden ausreichen, während bei ‚1 1/2‘ und ‚1/2 +‘ mit ihren aushallenden Anschlägen auch die Zeit mit gedehnt wird. Auf die aus den Tasten gepochten Klangkonstrukte lässt Schlechte drei je gut dreiminütige Arbeiten im Innenklavier folgen, die ihren Clou jeweils schon im Titel verraten - ‚schnur‘, ‚draht‘, ‚holz‘. Chromatisches Schimmern, spieluhrartig pingende Arpeggios und knarrende, geschabte Stahlsaitenvibrationen verraten Schlechtes geradezu Lachenmann‘sche Freude an bruitistischen Materialeffekten. Das Ausgedachte an diesen Etüden rückt in den Hintergrund sobald die Töne erklingen, die ebenso stark tachistischen Impulsen zu folgen scheinen wie einem Schema und die Zeit anders zerhacken und sprunghaftere Wendungen im Raum nehmen, als man vermuten möchte.

Rigobert Dittmann, Bad Alchemy 49

 

Marit Schlechte ist Komponistin - - - und Improvisationsmusikerin, was sich auch in ihren Klavierwerken widerspiegelt, in der Elemente der Jazzimprovisation mit Neuer Musik zusammengeführt werden. Rigobert Dittmann fühlte sich bei dieser »hartnäckigen Detailversessenheit« in seiner Bad Alchemy-Rezension an Nancarrow erinnert, ebenso könnte auch noch Cecil Taylor als Referenz genannt werden: Marit Schlechtes Besonderheit ist die der permanenten Überraschung. Lyrische Momente und kurze Pausen wechseln ab mit bruitistisch ratternden Passagen, während derer das Klavier mit futuristischem Furor bearbeitet wird. Jegliche Sentimentalität ist dieser manchmal geradezu maschinenhaften Musik fremd, doch Kälte wäre zugleich der unpassendste Ausdruck, um zu beschreiben, wie präzise Schlechte ihre kurz angespielten Motive repetitiv weiterentwickelt und mit stets nur leichten Nuancen variiert. Eine außergewöhnliche, geradezu manische Veröffentlichung, die es eventuell deshalb schwer haben wird, weil sie sich nicht wirklich ins Jazz-Regal, aber auch nicht zur Neuen Musik einordnen lässt.

Testcard 16

 
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